Die geschichtliche Entwicklung von Schlechtenwegen
Schau auf zu den Sternen und erkenne die Größe und die Allmacht der Schöpfung; wisse, dass unsere Erde klein ist im All und bedenke, o Mensch, dass du nichts bist gegen ein Staubkörnchen auf deinem Schuh. Das Alter unserer Erde schätzt man allgemein auf rund 2 Milliarden Jahre und wenn man nun voraussetzt, dass seit etwa 1 Million Jahren Menschen auf dieser Erdenkugel sind, dann sind die 1.100 Jahre unserer Ortsgeschichte nur ein Bruchteil von Sekunden auf dieser Zeituhr. Es ist eigentlich sehr bedrückend, wenn man hört, dass wir diese Bruchteile von Sekunden auch nur sehr lückenhaft überblicken können.
In zwei Talgründen des östlichen Vogelsberges liegen fünf Gemeinden, die seit 1672 zum Kirchenspiel Altenschlirf gehören. Im nördlichen Teil des Tales liegt das Dörfchen Schlechtenwegen. Es wird von der Altfell (Altefeld – Altefell) durchflossen.
Die geographische Lage unseres Dorfes:
368,33 m über NN (Alte Schule)
Der Name „Altfell oder Altefeld“ stammt wahrscheinlich von einem ausgestorbenen Dorf bei Bad Salzschlirf. Aus Chroniken geht hervor, dass bei dem Zusammenfluss des Erlenbaches und der Altfell vor Bad Salzschlirf das Dorf „Altenfeld“ gestanden haben soll. Die Quelle des Altefellbaches liegt etwa im Südosten des Hoherodskopfes im Oberwald. Bis nach Ilbeshausen trägt der Bach den Namen „Schwarzbach oder Schwarzer Fluss“. Unterhalb des Ortes vereinigt er sich mit dem Haselbach (Alte Hasel) und heißt nun „Altfell“.
Der Bach durchfließt später Bad Salzschlirf und hinter dem Ort treffen die Lauter und die Altfell zusammen; als „Schlitz“ nehmen sie jetzt ihren Weg bis in die Nähe von Hutzdorf, um sich dort dann in die Fulda zu ergießen. Das gesamte Flussgebiet der Altfell umfasst etwa 134,08 qkm.
Schlechenwegen liegt zwischen zwei Höhenzügen, die den Lauf der Altfell begleiten, im Norden die Hainkerze und im Süden die Hardt. Unser Ort ist im Zuge des Laufes der Altfell angelegt und folgt im Wesentlichen der Kreisstraße 3182 von Altenschlirf nach Stockhausen und der Abzweigung von Schlechtenwegen nach Steinfurt.
Überragt wird das Dörfchen von der auf einer kleinen Anhöhe unmittelbar im Dorf gelegenen Kirche, die in der heutigen Form um 1703 errichtet wurde. Die Randungen der Höhenzüge begleitenden Wälder treten in der Umgebung des Dorfes zurück, um den Feldern Platz zu geben.
Markante Aussichtspunkte sind die „Vier Linden“, eine Baumgruppe auf einer Erhebung an der Alten Straße nach Stockhausen, dem Elmweg. Dort schweift der Blick im Süden auf das Dorf selbst; nach Westen auf den Talgrund nach Altenschlirf und weiter auf den Vogelsberg am Horizont. Der Blick nach Norden wird durch die Höhen des Reisberges und der Hainkerze gehemmt, aber dafür öffnet sich der Blick auf das Altfelltal nach Stockhausen und auf diesen Ort selbst. Im Osten erhebt sich eine Höhe – der Bornrain – und weiter nach Süden – die Hardt. Ganz in der Ferne zeigt sich die Wasserkuppe (Rhön). Ein weiterer Aussichtspunkt ist der Osthang der Hardt. Von dort aus sehen wir Blankenau, Hainzell und Kleinlüder. Diese Orte werden begrenzt durch die Forst Giesel. Weit am Horizont zeigt sich dann die Vorderrhön.
Der Boden setzt sich entsprechend seiner Entstehung aus den verschiedensten Bestandteilen zusammen. Ursprünglich waren weite Teile unserer Heimat von Ton, Tuffen, Löß, Lehm, Schiefergestein und Granit bedeckt. Durch die Verwitterung entstand Sand, der sich teilweise zu Sandstein verkettete und zusammenpreßte. Später entstand durch Vulkanausbrüchen mit ausstrümender Lava die Basaltüberlagerung; davon rühren viele Steine der Oberfläche her. Der unverwitterte ursprüngliche Basalt tritt noch heute an den verschiedensten Stellen zu Tage, so z.B. in der Steiger u. a. als Basaltsäulen. Die gelben und grünen Ausscheidungen am Basalt nennt man „Olivin“, das bei der Bildung des Gesteins durch Mineralien gebildet wurde.
Am Nordrand von Schlechtenwegen wurde auch ein Braunkohlevorkommen entdeckt. In den Jahren 1857 bis 1890 wurde das Gebiet durchforscht; dann jedoch stellte man die Bohrungen wieder ein, da man feststellte, dass das Braunkohlelager nicht abbauwürdig sei.
Unser Ort kann schon auf eine lange und zum Teil auch bedeutsame Vergangenheit zurückblicken. Verschiedentlich glaubte man 835 oder 855 v. Chr. annehmen zu können; jedoch als Erstbenennung urkundlich belegt ist das Jahr 885 n. Chr.
…deine at scliedinuueke inde at veteriorem sclirefam …zi demo sclidinuke
- 1338 slechtewege
- 1442 sclechtenwege
- 1538 schlechtenweg
- 1987 Schlechtenwegen
Diese Erstbenennung ist begründet in der Grenzbeschreibung eine Pfarrsprengels anlässlich der Kirchweihe St. Vitus in dem heuten Bad Salzschlirf im Jahre 885. Der Pfarrkirche wurde ein Sprengel zugewiesen, dessen entferntester Punkt im Quellgebiet der Altfell, der damaligen Slirefa, lag. Es ist das Gebiet zwischen Hoherodskopf und Taufstein. Der Sprengel umfasste im Wesentlichen das Wassereinzugsgebiet der Altefeld. Die Grenze verlief auf den Höhenrücken. Ein Punkt der Grenzbeschreibung ist: scliedinuueke; Aus dieser Urkunde geht nun keinesfalls hervor, ob es sich bei dieser Benennung um eine Gegend, eine Gemarkung oder um einen Ort handelt.
Wie so vieles aus unserer langen Geschichte, uns nur sehr lückenhaft überliefert wurde, und manches Andere ins Dunkel der Vergangenheit zurücksinkt, so mag das auch mit der Herkunft unseres Ortsnamens sein.
Eine Version besagt: Der Name „sclidinuueke“ bedeutet wahrscheinlich so viel wie „Schlittenweg“ (von slita = Abhang / slidan = gleiten). Eine Ansiedlung als, wo man auf Schlitten o. ä. Holz aus den Waldungen, den Höhen zu Tal beförderte (In der Rhön wird es teilweise noch heute so gehandhabt). Aus dem „Schlittenweg“ könnte dann im Laufe der Zeit im mundartlichen Sprachgebrauch Schlettenweg oder Schlechtenweg bzw. Schlechtenwegen geworden sein.
Aus einer zweiten Version hören wir dann, dass der Name sclidinueke oder slitanvelt heißen könnte: „Siedlung oder Ort am ebenen oder geegneten Weg“ slicht/slet = eben, geebnet, geglättet und wec/wehc = Weg, Straße.
Unser Heimatgebiet gehörte nach der Völkerwanderung zum Herzogtum der Franken (375 – 568 n. Chr.). Nach der Gründung des Benediktinerklosters Fulda um 744 n. Chr. wurde der Abt des Klosters unser Landesherr. Dieser wiederum setze Vögte als Lebensträger ein. Das Land wurde dann nach fränkischem Brauch in verschiedene Gaue eingeteilt und verwaltet. Drei dieser Gaue waren: Gau Wettereiba, Kinziggau und Vogelsberggau. Dieser Vogelsberggau war wieder in drei Centschaften aufgeteilt: Centschaft Lauterbach, Centschaft Nidda und Centschaft Schlechtenwegen. Diese Centschaft Schlechtenwegen war wiederum dreigeteilt in Mark Schlechtenwegen, Mark Lüder und Mark Kreienfeld. Zu der Mark Schlechtenwegen und somit auch zum Gebiet Schlechtenwegen gehörten nach sich gegenseitig ergänzende Grenzbeschreibungen:
Buchonia justa Fulinsbach et Slereffa
Weiterhin gehörten zum Gericht Schlechtenwegen die heutigen Wüstungen:
Wüstung
Jahr
Beschreibung
Blankenberg 1284 mons qui Blankenberg dicitur nec vallis dicta Zwimels (Zweifelsgraben)
Die Gerichtsgrenze der Centschaft Schlechtenwegen wiesen die Schöffen im Jahre 1480 folgendermaßen: Zwuschen Stockhuse et Blankenawe einen Morgenbreitt jensitts dem Schlage bis in den Mokenborn, das Flos inen das Wasser bis gein Schadgen hinter den Mauren hinauffen bis in das Tor zu Blankenaw, daromb gehort ein Scheffer zu Blankenaw in das Gericht und soll es besuchen zu allen Zeitten; von dem Tor hinder der Maur hinauff bis in den Möllngraben bis in den Zeifelsgraben; wiederunb bis hi diesseits einen Morgen breitt an den Schlag. Item der von Hainzell gehören einestheils in das Gericht zu Schlechtenwegen mit der Rüge und allen anderen Gebotten und Verbotten von Gerichtswegen. Uns further nimpt man das Gericht Schlechtenwegen an zum alten Libolts in dem Born das Flos inen bis in das rodige Wasser uff ghein Vaitshain in das Wehr bis in die Hegelputzen davon bis uff die Umwenden zwuschen Altenschlirf und Dizzelen und further bis zum Anwende zwuschen Schlirf und Alberts und davon bis in das Blankenwaltz Eichenholtz, bis an das Helis, bis ghein in Sclechtenwegen in den Born, bis an den Weißenstein, bis in die Tulpensehn davon bis in die Schawswiesen bis ghein alten Libolts wiederunb in den Born.
Aufschlussreich mögen auch die Weistümer von 1480 und 1483 über die Rechte der Riedesel im Gericht Schlechtenwegen sein. Darin ist von der Erbhuldigung die Rede, wie sie die Riedeselschen Untertanen nach jedem Erbfolgefall bei den Junkern zu leisten hatten. Unter den Zeugen, zu denen man nur unbescholtene Bürger nahm, ist auch ein Becker, Hans.
1483 Mai 1. Weistum über Schlechtenwegen:
1483 uff den ersten tag Jovis des mandes Meyhe zu mittag bezeugen zu Alenssliirff (Altenschlirf) Mentzer (Mainzer) bistum, von kaiserlicher Gewalt offenbares Schreibens und der Zeugen….. (elf werden namentlich genannt), Schöffen des Gerichts Slechtenwegen alle eines redlichen Alters Gewissens und Vernunft, nicht böhmisch, dass alles, was in einem offenen Instrument am 20. Nov. 1480 zu Aldenslirfffe in Enden Schaden Haus durch den Notar Heyricum Knorre aufgezeichnet war, wahr sei….. sie haben von ihren Eltern, die glaubhaft und Schöffen gewesen seien und von denen etliche (vor) 60 Jahren gedenke, gehört, dass der strene Herr Herrmann Rietesel, Ritter, von den Männern und Nachbarn des Gerichts Schlechtenwegen bei Frischborn (Fischborn) auf einem Berge Erbhuldigungen eingenommen habe; diesen uns seine Erben hielten sie für ihren Erbherren und niemand anders. Er habe gesprochen: „Gehit heime, ire menner, un hüdet vor den wolffen, ich will von den vihenden hüden.“ Als die Männer des Gerichts Slechttenwegen versammelt sind, ermahnte der Schreiber die Schöffen, die Sache mit iren nachbarn zu besprechen. Nachdem die geschehen ist, bestätigen sie alle und nehmen es auf iren eid, den sie iren Herrn und dem Schöffenstuhl getan haben.
Conrad Bossenmester (Büchsenmeister) Amtmann zu Eysenbach fordert darauf anstatt des ehrbaren Herrmann Rietesel den Schreiber auf, darüber ein offenes Instrument zu machen. Zeugen: Werner von Linsüngen, Becker, Hans und Hans Wißrock.
Bei der an sich recht enormen Bedeutung, die die Centschaft Schlechtenwegen mit ihrem Gericht für unsere Gegend hatte, muß sich auch hier oder in der Umgebung eine Richtstätte bzw. ein sogenanntes Hochgericht befunden haben. Ein genauer Standort ist heute schwer zu bestimmen jedoch spricht vieles dafür, dass man eine solche Richtstätte in „Steimels Hörstchen“ oder bei den „Vier Linden“ suchen sollte.
Der Volksmund will noch wissen, dass von der relativ steil abfallenden Höhe des Steimels Hörstchens zur Altfell hinunter Treppenstufen eingehauen sein sollen, die der Henker nach vollbrachter Tat benutzte, um sich in der Altfell die Hände zu reinigen.
Die Flur hinter dem Hörstchen heißt „Galgenrain“. Aus alten Urkunden wissen wir, dass die Riedesel im Jahre 1534 klagten, dass der Fürstabt von Fulda ihnen das für das Gericht Schlechtenwegen errichtete hochgericht bei Nacht habe niederreißen lassen, obwohl sie das Gericht von Fulda mit hoher und niederen Obrigkeit zum Lehen empfangen hätten. Wann nun das Gericht von Schlechtenwegen nach Altenschlirf verlegt worden ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden; sehr wahrscheinlich jedoch ist, das Jahr 1680, denn im Jahre 1672 starb der letzte Samtschulheiß von Schlechtenwegen, Johannes Schrimpf (Epitaph in der Kirche zu Schlechtenwegen).
Es ist eigentlich kurios, wenn man sich mit der Geschichte beschäftigt und dann feststellen muss, dass verschiedene Chronisten oder Autoren die unterschiedlichsten Spekulationen über Grenzen, Straßen-Wegenetz und Besitzverhältnisse anstellen und dann sogar noch „beweisen“, dass nur ihre Theorie die einzig richtige sei.
Ob „Lokalpatriotismus“ oder andere Beweggründe ausschlaggebend sein mögen, sei dahingestellt und so sollte man ruhig zu dem Wort stehen, dass der Glaube Berge versetzt. Allgemein waren die Berge – die Höhen – und die Mittelgebirge nicht sehr verkehrsfreundlich; man benutzte hauptsächlich Niederungen, Flußläufe, d.h. also eben Wege und konnte somit über ein recht ordentliches Straßennetz verfügen. Wir hören von einer „Linken Niddastraße; einer Rechten Niddastraße; einem Ortesweg; einer Weinstraße und einer Salzstraße“. Von der „Frankenfurth“ über Altenstadt in der Wetterau, Stockheim, Ortenberg, Gedern, Kreienfeld, Steinfurt, Schlechtenwegen wahrscheinlich über Blankenau zum Kloster Neuenburg und dann in Richtung Milseburg soll die Linke Niddastraße führen. Die Rechte Niddastraße müßte weiter nördlich einen ähnlichen Verlauf genommen haben; beide Straßen sollen sich dann in unserer Gegend vereint haben. Die Weinstraße führte wahrscheinlich vom Main über Steinau, Ober Moos, Crainfeld, Vaitshain zur Disselbrücke bei Ilbeshausen und entlang der ehemaligen Bahnlinie (heutiger Vulkanradweg), vorbei an den Galgensteinen am Rixfelder Bahnhof, der Bahnlinie weiter folgend nach Lauterbach und dann weiter in Richtung Weser.
Unter „Ortesweg“ versteht man nach allgemeiner Auffassung den Teil des Weges von der Disselbrücke bei Ilbeshausen nach Altenschlirf, vorbei am Heerhain in Richtung zum Kieselgurwerk bei Steinfurt; Dicke Eiche – Kalte Mühle, vorbai an Schlechtenwegen – Blankenau – Kloster Neuenburg zur Milseburg.
Von der Höhe aus soll dann ein Weg durch die Balswiesen – Dankerod – Rispach oder Rissbau, Brücke am Prinzenbach zu dem Ort Reichels im Reichelser Grund – an Herbstein vorbei zu den Galgensteinen am heutigen Rixfelder Bahnhof geführt haben, um sich dann mit der Weinstraße zu vereinigen.
Im Altefelltal, nicht in einer Talweitung, sondern in einer Talenge zwischen Stockhausen und Schlechtenwegen, unweit der mittelalterlichen Fernverbindungsstraße, des Ortesweges, lag die Siedlung Dankerod. Die Auswahl dieses Ortsplatzes und der in einer Windung des Baches sich erhebenden Menschenhand geschaffene Hügel, der auf dem Meßtischblatt mit der Höhe 351 m eingezeichnet ist, lassen auf eine wehrhafte Gründung schließen. Im Volke erzählt man sich von einer Burg der Herren von Dankerod, die auf dem Hügel gestanden haben soll.
Wahrscheinlich hat es sich um einen befestigten Hof gehandelt, vielleicht um die 1337 genannte „Hofstadt uffm Hagen“.
Der Hügel zeigt in den Maulwurfshaufen Hüttenlehm und Tonscherben; das etwa 30 m östlich des Hügels gelegene Gebäude hinterließ besonders viel Hüttenlehm und Eisenschlacken. Diese stark verrosteten Eisenschlacken sind das einzige Zeitzeugnis einer ehemaligen mit dem Orte verbundene Eisenschmelze.
– Fortsetzung folgt –